von Tatjana Lukina "Was
du hergibst, das ist dein"
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Der
Verein "MIR e.V., das Zentrum russischer Kultur in München" ( Anmerkung:
heute "Verein für kulturelle Beziehungen") wurde im September 1991
in München-Schwabing gegründet.
Die
sieben Gründungsmitglieder
- die Kunstwissenschaftlerin Dr. Lada Nikolenko, eine amerikanische Russin
- die Übersetzerin Mary von Holbeck, eine Baltendeutsche
- die italienische Studentin Cecilia Pontini
- die russische Sängerin Ljudmila Krawtschuk
- der deutsche Jura-Student Holm Schmidt
- der Münchner Journalist schottischer Abstammung Hermann Brendel
und
- die Schauspielerin russisch-assyrischer Herkunft, Tajana Lukina
haben
sich das Ziel gesetzt, eine Brücke zwischen der russischen und der
abendländischen bzw. der deutschen Kultur aufzubauen, die von Mensch
zu Mensch, von Künstler zu Künstler führt. Und nicht nur
deswegen, weil in diesen Jahren ganz Deutschland im Russland- und Gorbi-Fieber
stand, sondern weil der Zeitpunkt gekommen war, die traditionellen, jahrhundertelangen
deutsch-russischen Kulturbeziehungen mit Leben zu füllen.
Und
es war sicherlich kein Zufall, daß MIR ausgerechnet in Schwabing
gegründet wurde, wo vor 100 Jahren eine Künstlerkolonie russischer
Kunststudenten entstanden war, aus der Jahre später die berühmte
Künstlervereinigung "Der blaue Reiter" geboren wurde.
Neben
Paris, Berlin und Prag war München schon immer ein Anziehungspunkt
für russische Intellektuelle.
Einer
der größten ukrainischen Philosophen, Grigorij Skoworoda, studierte
im München des 18. Jahrhunderts.
Von
1822 an verbrachte Fjodor Tjutschew (1803 - 1873) im diplomatischen Dienst
über 20 Jahre in München. In der russischen Literatur wird er
neben Alexander Puschkin als einer der größte Dichter des 19.
Jahrhunderts bezeichnet. Sein genialer Vierzeiler, den er am 28.11.1866
verfaßte, klingt heute aktueller denn je:
Mit dem Verstand ist Russland nicht zu fassen,
Gewöhnlich Maß mißt es nicht aus:
Man muß ihm sein Besondres lassen -
Das heißt, daß man an Russland glaubt.
(übertragen von Siegfried von Nostitz)
Eine
bayerische Schönheit, seiner Jugendliebe Amalie Lerchenfeld - deren
Portrait man im Schloß Nymphenburg in der Schönheitsgalerie
Ludwigs des Ersten heute noch bewundern kann - widmeteFjodor
Tjutschewseine schönsten Liebesgedichte.
Eine
gebürtige Petersburgerin, die bezaubernde und begeisterte Journalistin
Ljolja (Lou)
Andreas-Salome begegnete
1897 in München dem jungen Rene Maria Rilke, dem sie nicht nur den
neuen Namen - Rainer -, sondern auch die neue Heimat - Russland - schenkte.
Um
die Jahrhundertwende wurde München zum Zentrum der russischen sozialdemokratischen
Bewegung. In den Jahren 1900 bis 1902 bewohnte unter einem falschen Namen
der Revolutionär Vladimir
Uljanow eine
kleine Wohnung in Schwabing. Hier schrieb er an seinem berühmten Werk
"Was tun ?" und unterschrieb zum ersten Mal mit dem Preudonym "Lenin".
Mit
der Unterstützung der deutschen Genossen brachte er in München
seine politische Zeitung "Iskra" heraus, die von hier aus auf verschiedenen
illegalen Wegen nach Rußland geschmuggelt wurde.Die Oktoberrevolution
(1917), der Zweite Weltkrieg und die Fluchtwelle der Siebziger Jahre (Breschnew-Ära)
brachte viele freiwillige und unfreiwillige Flüchtlinge aus der ehemaligen
Sowjetunion in die bayerische Landeshauptstadt.
Sie
bildeten mehrere kulturelle und soziale Gemeinschaften, darunter ukrainische,
jüdische, armenische, tatarische, baltische, russisch-orthodoxe und
weitere, die ein Schutz für Flüchtlinge und ein Ersatz für
die verlorene Heimat waren. Mit
der Wende bach eine neue Zeit aus. Der Kalte Krieg war zu Ende, die meist
blutlosen Revolutionen veränderten Ost-Europa. Das seit Jahrzehnten
vom Englischen Garten aus sendende Radio "Liberty" begann seine Aktualität
zu verlieren. Ereignisse überschlugen sich, die Deutschen entdeckten
ihr Herz für Russland. Zahlreiche Hilfsaktionen, Spenden, Care-Pakete,
Benefiz-Konzerte zugunsten Glasnost und Perestrojka waren an der Tagesordnung.In
diesen Monaten des Gorbi-Fiebers, im Frühjahr 1991, veranstalteten
die Exilrussen in München einen Monat der russischen Kultur. Zum ersten
Mal gelang es, alle in Bayern beheimateten russischen Künstler verschiedener
Generationen und politischer Strömungen zu einem Solidaritätsbeitrag
für die in Moskau und Leningrad lebenden Kollegen zusammenzuführen.
Eröffnet wurden diese Kulturtage mit der Bilderausstellung: "Auf der
Suche nach der verlorenen Heimat".
Diese
beispiellose Initiative, die ein enormes Interesse bei den Münchnern
weckte, wurde zum Grundstein des russischen Kulturzentrums "MIR". Bei den
letzten Veranstaltungen, es waren insgesamt 14 Abende mit Konzerten, Lesungen
und Vorträgen, wurden zwischen den Zuschauern, die überwiegend
aus Deutschen bestanden, ein Fragebogen mit folgenden Fragen verteilt:
- Sind Sie dafür, daß München ein eigenes russisches
Kulturzentrum erhält?
- Würden Sie es unterstützen?
Das
Ergebnis war überwäligend - 500 begeisterte Münchner waren
bereit, das russische Kulturzentrum mitaufzubauen.
Welchen Namen sollte dieses Zentrum bekommen?
Natürlich MIR, was Welt, Frieden und Gemeinde bedeutet.
Alles in einem, das ist unser MIR.
MIR
ist eine internationale Vereinigung Gleichgesinnter, die ihre geistige
Heimat in der Kultur von Puschkin, Gogol, Tolstoj, Dostojewskij, Tschechow,
Tschaikowskij, Rachmaninow, Prokofjew, Anna Pawlowa, Djagiljew, Nurijew,
Repin, Malewitsch, Kandinskij, Chagal, Pasternak, Zwetajewa, Majakowskij,
Achmatowa, Brodskij usw. gefunden haben, frei von jeder Parteilichkeit
und ungeachtet ihrer Herkunft und Religionszugehörigkeit.Heute wird
viel über Multikultur gesprochen, sie soll uns zueinander führen,
verbinden und verbrüdern.
Besonders
die russische Kultur hat diesen multikulturellen Charakter, weil sie aus
der altslawischen, deutschen, französischen, jüdischen, tatarischen,
kaukasischen, baltischen - und vielen mehr - besteht.
Für
die Kultur anderer Völker offen, ist die russische Kultur vielseitig
und befindet sich im ständigen Wachstum. Einem bleibt sie jedoch immer
treu, der Suche nach dem Sinn des Lebens. Seit
der Gründung sind wir nunmehr dabei, unsere Brücke zu bauen,
die die Kultur des einen Volkes mit der des anderen verbindet, von Künstler
zu Künstler, von Mensch zu Mensch, oder wie man in Russland sagt:
von Seele zu Seele.
Herzlich
bedanken möchte ich mich im Namen aller MIR-Mitglieder und MIR-Freunde
beim Bayerischen Staatsministerium für Unterricht, Kultur, Wissenschaft
und Kunst, beim Kulturreferat und dem Sozialreferat der Landeshauptstadt
München, beim Auswärtigen Amt in Bonn, beim Bezirk Oberbayern,
bei den Vereinen "Seidlvilla e.V." und "Haus der Begegnung e.V.", beim
Münchner Volkstheater und bei der Pasinger Fabrik, und bei allen kleinen
und großen Münchnern, die unsere Veranstaltungen besuchen, für
ihre Unterstützung und Treue.
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